Das Bundeskabinett hat am 16.12.2020 den Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge beschlossen. Im Folgenden stellen wir die wichtigsten Änderungen des AGB-Rechts vor und beantworten die Frage, ob damit auch Auswirkungen auf AGB im Verhältnis Unternehmer-Unternehmer zu erwarten sind.
Gasbeschaffungsumlage und Preisgleitklauseln
Thursday, 18. August 2022
Die letzte Änderung des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) ist am 12. Juli 2022 in Kraft getreten. Damit sind staatlich genehmigte Preisanpassungen für Gaslieferungen nun regelmäßig möglich. Das Gesetz sieht für solche Preisanpassungen zwei unterschiedliche Mechanismen vor: eine saldierte Preisanpassung zum einen und ein individuelles Preisanpassungsrecht entlang der Gaslieferkette zum anderen. Beide gesetzlichen Regelungen haben das Ziel, von unvorhergesehenen Preiserhöhungen betroffene Gasimporteure zu entlasten und damit die Gasbelieferung von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gewährleisten.
Sowohl für eine individuelle Preiserhöhung seitens der Energieunternehmen entlang der Gaslieferkette (§ 24 EnSiG) als auch für eine saldierte Preiserhöhung durch staatliche Verordnung (§ 26 EnSiG) mit Genehmigung der Bundesnetzagentur müssen jeweils bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Zum einen, dass das Bundeswirtschaftsministerium die Alarm- oder Notfallstufe Gas ausruft, und zum anderen, dass die Bundesnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gesamtimportmengen feststellt. In diesem Fall hätten alle betroffenen Energieversorger entlang der Gaslieferkette das Recht, gemäß § 24 EnSiG ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden individuell angemessen zu erhöhen.
Wenn es allerdings zu einem staatlich erklärten Notstand kommt, die Preiserhöhungen amtlich festgestellt werden und eine entsprechende Verordnung erlassen wird, geht § 26 EnSiG (saldierte Preisanpassung) dem § 24 EnSiG vor. Dies hat zur Folge, dass die Energielieferanten nicht mehr eigenständig individuell nach § 24 EnSiG die Preise erhöhen dürfen. Dies geschieht dann ausschließlich pauschal über die Verordnung. Hinzu kommt, dass über die entsprechenden Verordnungen auch der Gasverbrauch an sich gesteuert werden kann, indem z. B. Verbrauchshöchstgrenzen festgelegt werden.
Seit wenigen Tagen befinden wir uns nun alle im Anwendungsbereich des § 26 EnSiG.
Was ist geschehen?
Am 15. August 2022 hat die Trading Hub Europe GmbH (THE) auf Grundlage der am 9. August 2022 in Kraft getretenen Gaspreisanpassungsverordnung nach § 26 Energiesicherungsgesetz bekannt gegeben, dass ab 1. Oktober 2022, und mindestens bis zum 1. April 2024, für alle Gasverbraucher eine Gasbeschaffungsumlage in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde Gas erhoben wird. In den Rechnungen der Gasverbraucher wird sich die Umlage ab voraussichtlich Mitte November niederschlagen.
Das EnSiG sieht allerdings vor, dass die Gaspreise innerhalb der Gaslieferketten nur bis zum Verbraucher (gemeint ist der Verbraucher des Gases und nicht der private Endkunde im rechtlichen Sinne) erhöht werden dürfen. Damit sind von der Umlage private Nutzer des Gases genauso betroffen wie Unternehmer und Unternehmen. Deren Vertragsverhältnisse zur Veräußerung von Waren oder Dienstleistungen beruhen in der Regel auf einer Kalkulation, die lange vor dem Verbrauch des Gases vorgenommen wurde. Sie unterliegen keinem Preisanpassungsrecht. Ein Recht zur nachträglichen Anpassung von Preisen für Waren oder Dienstleistungen besteht also unter Berufung auf die Gasbeschaffungsumlage grundsätzlich nicht.
Wie können betroffene Unternehmen mit dieser Situation umgehen?
Es besteht zwar die Möglichkeit, mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage und den Folgen höherer Gewalt zu argumentieren. Zumindest dem Gegenargument, die Preiserhöhungen seien für den Lieferanten vorhersehbar gewesen, würde man sich aber wohl stellen müssen, und eine einseitig vorgenommene Preisanpassung wäre entsprechend unsicher.
Es empfiehlt sich daher, sich zumindest für zukünftige Erhöhungen der Gasbeschaffungsumlage vertraglich zu wappnen. Denn diese soll alle drei Monate von der THE überprüft und gegebenenfalls angepasst werden dürfen. Entsprechende Klauseln zur Preisanpassung können im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit grundsätzlich mit dem Vertragspartner vereinbart werden. Sofern sie in AGB verwendet werden, unterliegen sie aber den üblichen Inhaltskontrollen und können somit unwirksam sein. Unangenehme Folge einer unwirksamen Preisanpassungsklausel könnte für die Verwender solcher Klauseln beispielsweise sein, dass sie im konkreten Vertragsverhältnis dann eine Preisanpassung nicht vornehmen dürfen und zur Lieferung der Waren oder Dienstleistungen zum ursprünglich vereinbarten (niedrigeren) Preis gezwungen sind.
Eine möglichst vorsichtige Vorgehensweise - ein Fahren auf Sicht - läge in möglichst kurzfristigen Vertragsabschlüssen. Mittelfristige Vertragsabsprachen könnte man versuchen mit Preisgleitklauseln zu versehen, die im Idealfall individuell ausgehandelt werden sollten. Mit einseitig verwendeten Preisgleitklauseln auf AGB-Basis geht man das Risiko der Unwirksamkeit ein.
Sollten Sie sich bei anstehenden Vertragsverhandlungen unsicher sein, unterstützen wir Sie gern!