Im letzten Jahr haben wir bereits über die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und ihre weitreichenden Implikationen für Unternehmen berichtet. Mit diesem Beitrag möchten wir Ihnen ein Update zu den neuesten Entwicklungen rund um die Lieferkettensorgfalt und zu den aktuellen Anpassungen der Richtlinie geben.
Auswirkungen des LkSG auf Rechtsgebiete und Unternehmen: 7 Fragen, 7 Antworten
Friday, 21. July 2023
Wir haben bereits zweimal vor dessen Inkrafttreten über die voraussichtlichen Inhalte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes auf unserer Website berichtet. Mit dem folgenden Beitrag möchten wir Ihnen Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesem mittlerweile bestehenden (und richtungsweisenden) Regelwerk geben.
Ein Beitrag von Christine Knote und Anila Lettau
Frage 1 - Vertragsrecht:
Nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 und 4 LkSG sind Unternehmen verpflichtet, sich von ihren unmittelbaren Zulieferern vertraglich zusichern zu lassen, dass dieser „die menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert“. Außerdem sind sie verpflichtet, angemessene vertragliche Kontrollmechanismen zu vereinbaren, um die Einhaltung der Menschenrechtsstrategie bei den unmittelbaren Zulieferern zu überprüfen. Wie wird diese vertragliche Zusicherung in der Praxis ausgestaltet?
Antwort:
In der Praxis dürfte die vertragliche Zusicherung in der Regel derart umgesetzt werden, dass das Unternehmen einen Code of Conduct entwirft, in welchem es risikospezifisch bestimmte menschenrechts- und umweltbezogene Erwartungen an die Zulieferer formuliert. Die Einhaltung des Code of Conducts und dessen Weitergabe an Vorlieferanten (mittelbare Zulieferer des Unternehmens) hat sich das Unternehmen dann vertraglich zusichern zu lassen. Die Vereinbarung sollte so ausgestaltet sein, dass das Unternehmen berechtigt ist, den Code of Conduct nachträglich anzupassen, sofern dies aufgrund einer neuen Risikobewertung notwendig ist.
Frage 2 - Zivilrechtliche Haftung:
§ 3 Abs. 3 LkSG besagt, dass eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz keine zivilrechtliche Haftung begründet (S. 1). Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt (S. 2). Welche Anspruchsgrundlagen kommen insofern in Betracht?
Antwort:
Hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung werden vor allem Haftungsnormen aus dem Deliktsrecht diskutiert. Ein Anspruch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht, da die Ausschussbegründung zum Gesetzesentwurf klarstellt, dass das LkSG im Hinblick auf die genannte Norm irrelevant ist (BT-Drs. 19/30505 S. 39). Auch ein Anspruch nach § 831 Abs. 1 BGB ist wohl ausgeschlossen, da der Zulieferer in Ermangelung an Selbstständigkeit, Weisungsungebundenheit sowie der Nicht-Einbindung des Zulieferers in den Organisationsbereich des Unternehmens nicht als Verrichtungsgehilfe angesehen werden kann. Eine Haftung wegen Verletzung etwaiger Verkehrssicherungspflichten nach § 823 Abs. 1 BGB erscheint indessen möglich.
Ebenfalls wird eine Haftung aufgrund kaufrechtlicher Gewährleistungen diskutiert, wonach in öffentlichen Hinweisen, wie zum Beispiel einer Werbung mit einem Hinweis auf die Einhaltung von umwelt- oder menschenrechtsfreundlichen Produktionsbedingungen, eine Beschaffenheitsangabe im Sinne des § 434 Abs. 3 Nr. 2b BGB liegen kann.
Frage 3 - Wettbewerbsrecht:
Sind auch wettbewerbsrechtliche Verstöße denkbar?
Antwort:
Inwiefern das LkSG wettbewerbsrechtliche Relevanz aufgrund eines Verstoßes gegen die darin festgelegten Sorgfaltspflichten hat, ist umstritten. Uneinigkeit besteht hier bereits darüber, ob der Anwendungsbereich nach den §§ 2 ff. UWG überhaupt eröffnet ist.
Das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung nach § 2 UWG wird zum Teil in der Literatur verneint. Sollte man dennoch unterstellen, dass eine solche vorliegt, so müsste als nächstes eine Marktverhaltensregel (§ 3a UWG) vorliegen. Diese wird mit dem Argument abgelehnt, dass hierunter keine Vorschriften fallen, die die Art und Weise der Produktion von Gütern regeln, vor allem nicht Arbeitnehmerschutz- und Umweltschutzvorschriften. Ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 UWG käme aufgrund der Normenkollision mit § 3a UWG nicht in Betracht.
Frage 4 - Arbeitsrecht:
Das LkSG enthält mehrere Vorgaben zu arbeitsrechtlichen Compliance-Maßnahmen, wie den Menschenrechtsbeauftragten, den Beschwerdebeauftragten sowie Mitarbeiterschulungen. Welche dieser Compliance-Maßnahmen sind für wen obligatorisch?
Antwort:
Die Bestellung eines Menschenrechtsbeauftragten ist nicht verpflichtend. Diese wird nach § 4 Abs. 3 S. 1 LkSG sowie in der Literatur im Hinblick auf die Vorgabe der Einrichtung eines angemessenen Risikomanagements aber vielfach empfohlen.
Die Bestellung eines Beschwerdebeauftragten ist nach § 8 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 LkSG sehr wohl verpflichtend. Dieser muss unabhängig und darf vor allem nicht an Weisungen gebunden sein.
Für ein effektives Lieferketten-Compliance-System sollten Mitarbeiterschulungen als betriebliche Maßnahme durchgeführt werden. Im Rahmen der zu ergreifenden Präventionsmaßnahmen sind diese in den eigenen relevanten Geschäftsbereichen des verpflichteten Unternehmens gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 3 LkSG obligatorisch.
Frage 5 - Grundsatzerklärung, § 6 Abs. 2 LkSG:
Gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 LkSG muss das Unternehmen eine Grundsatzerklärung über seine Menschenrechtsstrategie abgeben. Welche Anforderungen sind an die Grundsatzerklärung zu stellen?
Antwort:
Die Grundsatzerklärung muss ein deutliches Zeichen des Unternehmens nach außen sein, mit einem klaren Bekenntnis zum Menschenrechtsschutz.
Inhaltlich müssen die Verfahren und Guidelines sowie mögliche Auswirkungen und Risiken dargestellt werden. Verantwortlichkeiten sowie entsprechende Informationen zum eingerichteten Risikomanagement sollten ebenfalls benannt werden.
Die Erklärung ist regelmäßig zu überprüfen und durch die höchste Leitungsebene zu verabschieden.
Frage 6 - Risikoanalyse, § 5 Abs. 1 S. 1 LkSG:
In § 5 Abs. 1 S. 1 LkSG ist festgelegt, dass Risikoanalysen im eigenen Geschäftsbereich und für unmittelbare Zulieferer durchzuführen sind, um die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken zu bewerten. In welchen Schritten haben diese zu erfolgen?
Antwort:
Für die Risikoanalyse im eigenen Geschäftsbereich ist es empfehlenswert, sich zunächst einen Überblick über die Beschaffungsprozesse, Strukturen, Akteure, Personengruppen und Lieferantenlisten zu verschaffen. Auf der nächsten Stufe ist die Risikoidentifizierung ratsam. Auf der letzten Stufe ist dann die Risikopriorisierung, die die Grundlage für Präventions- und Abhilfemaßnahmen bildet, zu empfehlen.
Auch die Risikoanalyse für unmittelbare Zulieferer wird in drei Schritten empfohlen durchzuführen: Als erstes sollte eine Überprüfung und Auswertung des Self-Assessments-Questionnaires (SAQ's) aller strategischen Zulieferer erfolgen. Danach sollten die SAQ‘s gesichtet und ausgewertet werden. Die letzte Stufe sollte dann die Entscheidung erfassen, ob weitere Risikoinformationen einzuholen sind. Die Ergebnisse sind sodann in eine Risk Inventory List einzutragen - mit einer Zuordnung, Beschreibung, Bewertung und Auflistung der Maßnahmen.
Frage 7 - Beschwerdeverfahren, § 8 LkSG:
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 LkSG haben die Unternehmen ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einzuführen. Was sind hier die wesentlichen Anforderungen und was könnten mögliche Zugangshindernisse sein?
Antwort:
Das Beschwerdeverfahren sollte schriftlich in einer öffentlich zugänglichen Verfahrensordnung festgelegt werden. Die hinweisgebenden Personen müssen vor Bestrafung oder Benachteiligung geschützt sein. Ebenfalls muss die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Personen gewahrt werden. Das Verfahren muss für alle Betroffenen in der Lieferkette zugänglich sein und auf seine Wirksamkeit überprüft werden.
Das Unternehmen muss in geeigneter Weise klare und verständliche Informationen zur Erreichbarkeit und Zuständigkeit und zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens öffentlich zugänglich machen. Das Beschwerdeverfahren muss für potenzielle Beteiligte zugänglich sein, die Vertraulichkeit der Identität wahren und wirksamen Schutz vor Benachteiligung oder Bestrafung aufgrund einer Beschwerde gewährleisten.