Im letzten Jahr haben wir bereits über die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und ihre weitreichenden Implikationen für Unternehmen berichtet. Mit diesem Beitrag möchten wir Ihnen ein Update zu den neuesten Entwicklungen rund um die Lieferkettensorgfalt und zu den aktuellen Anpassungen der Richtlinie geben.
Die europäische Lieferkettenrichtlinie - ein Ausblick
Thursday, 28. September 2023
Die Globalisierung hat unsere Welt in den letzten Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht verändert, auch in Bezug auf den internationalen Handel und die Lieferketten von Unternehmen. Um der Herausforderung im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechten, Umwelt- und ethischen Standards gerecht zu werden und eine verantwortungsvollere Unternehmensführung zu fördern, entwickelt die Europäische Union die sogenannte Europäische Lieferkettenrichtlinie, auch bekannt als Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD).
Der Entwurf der Richtlinie sieht strengere Regelungen als das in Deutschland am 01.01.2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vor. Je nach Harmonisierungsgrad wird der deutsche Gesetzgeber seine Gesetzgebung entsprechend nachschärfen müssen.
Der erste Entwurf der Lieferketten-Richtlinie wurde im Jahr 2020 vorgelegt. Sie befindet sich derzeit in einem fortgeschrittenen Stadium des Gesetzgebungsprozesses. Ein aktueller Vorschlag für die Ausgestaltung wurde am 23.02.2023 durch die Kommission vorgelegt. Am 01.06.2023 zog das Europäische Parlament mit seiner Kommentierung zum Richtlinienentwurf nach. Der aktuelle Plan sieht vor, dass die Richtlinie bis Ende 2023 verabschiedet, 2024 in Kraft treten und 2026 in das jeweilige nationale Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden soll. Die Umsetzung ist gestaffelt geplant, wobei die Anwendung zuerst auf größere Unternehmen abzielt. Die Staffelung soll den Unternehmen eine schrittweise Umstellung auf die neuen Anforderungen ermöglichen.
Durch die Änderungen, die das Europäische Parlament eingebracht hat, ist der Entwurf der Richtlinie verschärft worden. So wurde u. a. eine vollständige Harmonisierung ins Spiel gebracht, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu gewährleisten und eine Zersplitterung des Binnenmarkts zu verhindern. Die Vollharmonisierung würde allerdings auch dazu beitragen, die Komplexität für Unternehmen zu reduzieren, die in mehreren EU-Mitgliedstaaten tätig sind. Eine erneute Überprüfung der Richtlinie im Hinblick auf den Harmonisierungsgrad und eine eventuelle Umwandlung in eine Verordnung ist, laut Kommentierung, nach sechs Jahren des Inkrafttretens vorgesehen.
Ferner sind aktuell die Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinie umstritten. Das EU-Parlament plädiert für eine erhebliche Ausweitung, die auch kleinere Unternehmen einschließen würde, während der Europäische Rat für eine weniger weite Anwendung der Richtlinie plädiert. Auch dieser Punkt wird in den kommenden Trilog-Gesprächen geklärt werden müssen. Nach dem Willen des Europäischen Parlaments wäre die Richtline auf für in der EU ansässige Unternehmen, unabhängig von ihrer Branche, einschließlich Finanzdienstleistungen, mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 40 Millionen Euro sowie für Muttergesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro anzuwenden. Nicht-EU-Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro, wenn mindestens 40 Millionen in der EU erwirtschaftet wurden, sollen ebenfalls unter die Richtlinie fallen.
Durch die Richtlinie werden Unternehmen voraussichtlich umfangreiche Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit ihren Lieferketten auferlegt werden. So sieht sie die Pflicht für Unternehmen vor, ihre Tätigkeiten und Geschäftsbeziehungen umfassend zu betrachten, um sowohl tatsächliche als auch potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu identifizieren und zu bewerten. Das schließt auch Tochtergesellschaften und die gesamte vorgeschaltete Wertschöpfungskette mit ein.
Unternehmen werden geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass sie ihre Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt verstehen und bewerten. Sie sollen regelmäßig überprüfen, ob ihre Tätigkeiten oder Produkte direkt oder indirekt solche Auswirkungen haben oder mit ihnen in Zusammenhang stehen. Entsprechend sollen Unternehmen umfassende Due-Diligence-Prüfungen in Bezug auf Menschenrechts- und Umweltauswirkungen entlang ihrer gesamten Lieferketten durchführen müssen. Dies ginge teilweise erheblich über das hinaus, was bereits im deutschen LkSG geregelt ist.
Außerdem sieht die Richtlinie eine deutlich ausgeweitete zivilrechtliche Haftung für Unternehmen vor, die gegen diese Sorgfaltspflichten verstoßen. Die Haftung ist nicht nur auf Handlungen oder Unterlassungen des Unternehmens selbst beschränkt, sondern schließt auch das Verhalten seiner Tochterunternehmen und von Geschäftspartnern in der Lieferkette ein, wenn das Unternehmen keine angemessene Sorgfalt walten lässt. Sie erstreckt sich auf Schäden, die durch das Unternehmen oder in Verbindung mit seinen Aktivitäten verursacht werden.
Der Trilog zwischen dem EU-Parlament, dem Europäischen Rat und der EU-Kommission wird über die endgültige Form und Reichweite der Richtlinie entscheiden. Unternehmen sollten sich aber jetzt schon mit den möglichen Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit auseinandersetzen und Risiken in ihrer Unternehmensstruktur identifizieren.
Folgende Instrumente können dafür infrage kommen:
- Menschenrechts-Due-Diligence: Unternehmen sollten eine Menschenrechts-Due-Diligence durchführen, um zu verstehen, wie ihre Aktivitäten die Menschenrechte beeinflussen könnten. Dies beinhaltet die Identifizierung von Risiken und potenziellen negativen Auswirkungen auf Menschenrechte, insbesondere in Bezug auf Mitarbeiter, Lieferanten und betroffene Gebiete, in denen sie tätig sind.
- Umweltauswirkungen bewerten: Unternehmen sollten die Umweltauswirkungen ihrer Geschäftstätigkeiten bewerten. Dies umfasst u. a. die Identifizierung von Umweltaspekten wie Energieverbrauch, Abfallerzeugung, Treibhausgasemissionen und Wasserverbrauch. Die Bewertung hilft dabei, Bereiche zu identifizieren, in denen Verbesserungen erzielt werden können.
- Transparenz und Berichterstattung: Unternehmen sollten transparent über ihre Bemühungen und Fortschritte bei der Identifizierung und Bewältigung von Menschenrechts- und Umweltrisiken berichten. Dies kann in Form von Nachhaltigkeitsberichten, CSR-Berichten (Corporate Social Responsibility) oder anderen öffentlichen Mitteilungen geschehen.
- Zusammenarbeit und Stakeholder-Engagement: Unternehmen sollten aktiv mit Interessengruppen wie NGOs, Regierungen und betroffenen Gemeinden zusammenarbeiten, um ein besseres Verständnis für die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten zu gewinnen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
- Internes Bewusstsein und Schulung: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten über Menschenrechte und Umweltaspekte informiert und sensibilisiert werden, um sicherzustellen, dass die Unternehmenskultur auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung ausgerichtet ist.
- Risikobewertung und -management: Nach der Identifizierung von Risiken und Auswirkungen sollten Unternehmen Pläne entwickeln, um diese zu minimieren oder zu vermeiden. Dies kann die Überarbeitung von Geschäftsprozessen, die Einführung von Standards und Richtlinien oder die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Stakeholdern zur Verbesserung der Praktiken umfassen.
Die Implementierung dieser Maßnahmen hilft Unternehmen nicht nur, ethische und rechtliche Anforderungen zu erfüllen, sondern trägt auch dazu bei, das Risiko von Rechtsstreitigkeiten, Reputationsverlust und Umweltauswirkungen zu minimieren.