Das Verbot des vorzeitigen Vorhabenbeginns im Subventionsrecht – Frischer Wind aus Europa?
Dienstag, 07. März 2017
Bisher galt im Subventionsrecht der eherne Grundsatz, dass ein vorzeitiger Vorhabenbeginn eine (vollständige) Aufhebung des entsprechenden Subventionsbescheides zur Folge hat. Die einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu § 44 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und den Landeshaushaltsordnungen (LHO) der Länder enthalten im Wesentlichen gleichlautende Vorschriften, wonach Zuwendungen nur für Vorhaben gewährt werden dürfen, die noch nicht begonnen worden sind, wobei als Vorhabenbeginn grundsätzlich bereits der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrages zu werten ist (vgl. statt vieler OVG Lüneburg, Urteil vom 13. September 2012, 8 LB 58/12, juris). Damit sollen Mitnahmeeffekte vermieden werden, wobei zur Begründung das sogenannte Subsidiaritätsprinzip angeführt wird: Da es primär Sache des Zuwendungsempfängers ist, alles in seiner Kraft Stehende und Zumutbare zu tun, um die erforderlichen Mittel aufzubringen, geht der Fördermittelgeber davon aus, dass das Vorhaben ohne die Gewährung der beantragten Mittel nicht durchgeführt werden kann. Beginnt der Antragsteller jedoch vorzeitig, so dokumentiert er, dass er in der Lage und entschlossen ist, das Vorhaben auch ohne die Subventionen durchzuführen.
Hat der Antragsteller auch nur einen einzigen der Ausführung (nicht: der Planung) zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrag in diesem Sinne vorzeitig abgeschlossen, z. B. weil für bestimmte Maschinen besonders lange Lieferfristen bestehen, und die Bewilligungsbehörde erfährt hiervon nachträglich, so schlägt dies auf das Gesamtvorhaben durch und die Behörde muss im Regelfall den Bewilligungsbescheid insgesamt aufheben und bereits ausgezahlte Gelder zurückfordern (OVG Lüneburg, a.a.O., m.w.N.).
Diese von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung abgesegnete ständige Verwaltungspraxis könnte durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Juli 2016 (Rechtssache C-111/15) in Bewegung geraten. Der Gerichtshof hatte in einem Vorabentscheidungsersuchen über Bestimmungen des slowenischen Rechts zu befinden, welche denen des deutschen Rechts vergleichbar waren. Das vorlegende slowenische Gericht stellte die Frage, ob es mit europäischem Recht vereinbar sei, im Fall der fehlenden Zuschussfähigkeit bestimmter Ausgaben wegen vorzeitigen Vorhabenbeginns den Subventionsantrag vollständig abzulehnen oder ob eine derartige Sanktion „zu hart“ sei. Der Gerichtshof beantwortete die Vorlagefrage dahingehend, dass eine Ausklammerung der nicht zuschussfähigen Ausgaben (also der Kosten, die unmittelbar durch die „vorzeitige“ Maßnahme verursacht werden) hinreichend abschreckend sei. Eine solche Methode schließe sogenannte „Mitnahmeeffekte“ aus und wahre zugleich die Verhältnismäßigkeit, indem die tatsächlich zuschussfähigen Ausgaben nicht vollständig von der Beihilfe ausgeschlossen werden. Dieses Verständnis von Verhältnismäßigkeit stellt eine klare Abkehr von dem bislang im deutschen Subventionsrecht geltenden „Alles oder nichts“-Prinzip dar.
Soweit deutsche Behörden Subventionen auf europarechtlicher Grundlage ausreichen, werden sie zukünftig nicht umhin kommen, dieser Rechtsprechung Rechnung zu tragen. Man darf gespannt sein, wohin die Reise geht. Ein „Schlupfloch“ könnte sein, dass die europäischen Richter eine vollständige Versagung der Subvention für verhältnismäßig halten, wenn der Beihilfebegünstigte in seinem Zahlungsantrag vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. Routinemäßig lassen sich die deutschen Behörden von Antragstellern bestätigen, dass mit dem Vorhaben noch nicht begonnen wurde. Ob dies ausreicht, um von einer „vorsätzlich falschen Angabe“ im Sinne dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs auszugehen, wird sich zeigen.