Union und SPD haben sich bzgl. des Sanktionsrechts für Unternehmen weitestgehend geeinigt, sodass es nun zügig weitergehen soll mit einem Verbandssanktionengesetz. Bisher hatte sich das Gesetz in der Ressortabstimmung befunden, da die Union den Entwurf an einigen Stellen für nicht vertretbar hielt. Es ist also nicht mehr unwahrscheinlich, dass es noch in dieser Legislaturperiode zu dem neuen Gesetz kommen wird.
Referentenentwurf zum Verbandssanktionengesetz – ein Unternehmensstrafrecht für Deutschland
Dienstag, 03. März 2020
I. Gegenwärtige Lage
Die Regierungsparteien vereinbarten im Koalitionsvertrag (zwischen CDU, CSU und SPD v. 12.03.2018) sicherzustellen, „dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird“. Seit August 2019 liegt ein sog. Referenten-Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) mit 69 Paragraphen aus dem BMJV (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) vor.
Streng vermieden wird dabei im gesamten Papier, von „Strafen“ zu sprechen, da es sich vielmehr um Sanktionen handele, wobei rechtstechnisch aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ein Teil herausgelöst und als eigenes Gesetz ausgestaltet werden soll.
Ziel soll es sein, dass grds. auch die von Fehlverhalten der Mitarbeiter profitierenden Unternehmen stärkeren Sanktionen unterzogen werden können. Die Sanktionierung von Unternehmen soll dem Legalitätsprinzip unterworfen werden (statt dem Opportunitätsprinzip des Ordnungswidrigkeitenrechts) [1], damit die Staatsanwaltschaft beim Vorliegen eines Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren gegen den Verband einleitet und nicht aus möglichen Opportunitätserwägungen hiervon absieht.
Es soll vor allem darum gehen, eine angemessene Verbandssanktion zu ermöglichen und interne Ermittlungen zu fördern, indem Anreize für Investitionen in Compliance-Management-Systeme geschaffen werden.
Bis zu einem tatsächlichen Inkrafttreten des Gesetzes ist es jedoch noch ein langer Weg, der über das Kabinett ins Parlament und den Bundesrat führt. Aber auch dann wird das Gesetz nicht sofort in Kraft treten, sondern womöglich erst zwei Jahre nach seiner Verkündung, um den Unternehmen Zeit zu geben, sich auf das Gesetz vorzubereiten und Maßnahmen (Einrichtung oder Aktualisierung eines Compliance-Management-Systems) zu treffen.
II. Entwicklung
Die Idee des „Verbandsstrafrechts“ ist nicht neu. Bereits seit Jahren werden immer wieder Stimmen laut, die die Möglichkeit der Sanktionierung von juristischen Personen fordern. Dies ist aufgrund des in Deutschland herrschenden Schuldprinzips momentan nur über das Ordnungswidrigkeitenrecht (§§ 30, 130 OWiG) möglich.
Der erste Vorstoß in Richtung „Unternehmensstrafrecht“ kam dabei im Jahr 2013 von dem nordrheinwestfälischen Justizministerium. Der sog. „Kutschaty-Entwurf“ sah die Einführung eines Verbandsstrafgesetzbuches (Verb StrG-E) vor, durch welche nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften des privaten und öffentlichen Rechts in den Anwendungsbereich des StGB integriert werden sollten. Der Entwurf gelangte jedoch nicht in den Gesetzgebungsprozess des Bundes und galt somit als gescheitert.
2017 wurde mit der Veröffentlichung des „Kölner Entwurfes eines Verbandssanktionengesetzes“ (VerbSG-E) ein erneuter Versuch in Richtung des Verbandsstrafrechtes gewagt. Den Anknüpfungspunkt der Sanktionierung bildete hierbei die sog. „Verbandsverfehlung“ (§ 3 VerbSG-E), die ausschließlich mittels Geldzahlungen (§ 4 VerbSG-E) sanktioniert werden sollte. Das Höchstmaß der Sanktionierung sollte nach dem Entwurf 15 % des Verbandsumsatzes betragen. Daneben sollte die Einziehung des durch die Verfehlung Erlangten weiterhin nach §§ 73 – 76 b StGB möglich sein. Außerdem sollte die Sanktionierung unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt werden können, wobei die Bewährungszeit nach dem Vorbild der USA durch einen „Monitor“ begleitet werden sollte (§ 5 VerbSG-E). Daneben wurden in prozessrechtlicher Hinsicht in § 18 VerbSG-E die Durchführung von internen Untersuchungen (sog. „Internal Investigation“) geregelt, um bisher bestehende Rechtsunsicherheiten auszuräumen. Insgesamt verfolgte der Kölner Entwurf eine deutlich gemäßigtere Ausrichtung als der nordrheinwestfälische und war in seiner Zielrichtung stärker auf die „Resozialisierung“ der Unternehmen gerichtet.
Der „Münchner Entwurf“, der 2019 als Gegenentwurf zum BMJV-Entwurf veröffentlicht wurde, setzt in erster Linie auf „ein angemessenes Recht zur Sanktionierung von Verbänden mit am Prinzip der Verhältnismäßigkeit orientierten Geldbußen“. Insbesondere kleinere Verbände [2] sollen nach diesem Entwurf aus dem Anwendungsbereich des Verbandssanktionengesetzes vollständig herausgenommen werden. Auch die Höhe der Sanktion soll mit 200 Millionen Euro plus Gewinnabschöpfung auf eine konkrete Zahl begrenzt werden. Daneben sieht dieser Entwurf vor, die Einrichtung von Compliance-Management-Systemen strafmildernd zu berücksichtigen. Gleichzeitig soll bei internen Untersuchungen das staatliche Gewaltmonopol in den Mittelpunkt gerückt werden und eine enge Zusammenarbeit zwischen den internen und externen Ermittlern und der Staatsanwaltschaft forciert werden.
Der Mitte 2019 vorgelegte Entwurf des BMJV eines „Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ muss zwar nicht in seiner angedachten Form Gesetz werden, jedoch spricht vieles dafür, dass der Entwurf in seinen groben Zügen im Gesetzgebungsverfahren erhalten bleibt.
III. Wesentliche Inhalte des Referentenentwurfes
1. Sanktionsmöglichkeiten
Grundsätzlich soll es nun weitergehende Möglichkeiten neben der Geldbuße geben, einen Verband zu sanktionieren:
Im Teil 3 des Entwurfes finden sich nun die Verbandsgeldsanktion, die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionenvorbehalt und als ultima ratio die Verbandsauflösung.
Kleine und mittelständische Unternehmen sollen bei einer vorsätzlich begangenen Verbandsstraftat eine Geldsanktion von bis zu 10 Millionen EUR (und mindestens 1000 EUR) und bei einer fahrlässig begangenen Verbandsstraftat eine Strafzahlung von bis zu 5 Millionen EUR (und mindestens 500 EUR) auferlegt bekommen können.
Bei Unternehmen hingegen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen EUR soll die Verbandsgeldsanktion bei vorsätzlichen Taten von (mindestens) 10.000 EUR bis zu 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes, bei fahrlässigen Taten 5000 EUR bis zu 5 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen dürfen.
Zur Ermittlung des durchschnittlichen Jahresumsatzes ist dabei auf den weltweiten Umsatz aller natürlichen Personen und Verbände der letzten drei Geschäftsjahre zu rekurrieren, soweit diese eine wirtschaftliche Einheit bilden, wobei auch eine Schätzung vorgenommen werden kann.
Neben einer derartigen Verbandsgeldsanktion soll auch die Einziehung nach §§ 73 ff. StGB möglich sein.
Weiterhin besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Verwarnung unter Vorbehalt der Sanktion und die Verhängung einer Vorbehaltszeit. Derartige Verwarnungen können vor allem mit Auflagen und Weisungen verbunden sein, z. B. der Pflicht, Vorkehrungen zu treffen, um Verbandsstraftaten in der Zukunft zu vermeiden.
Für den Vorbehaltszeitraum kann vorgesehen sein, die durch Weisungen erteilten Maßnahmen mittels „Bescheinigung einer sachkundigen Stelle“ nachzuweisen, woraus deutlich wird, dass nach den USA, UK und Frankreich nun auch in Deutschland das Institut des sog. Monitors als „sachkundige Stelle“ eingeführt werden soll. Aus dem Entwurf geht dabei hervor, dass als „sachkundige Stelle“ Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater in Betracht kommen können.
Die Verfolgungsbehörden sollen im Rahmen dessen auch mit Zustimmung des Gerichts vorläufig von der Klageerhebung - nach Erteilung von Auflagen und Weisungen - absehen dürfen, was den Regelungen des § 153a StPO (Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen) nachempfunden ist.
Die Auflösung des Verbandes ist zudem als ultima ratio möglich, jedoch nur dann, wenn u. a. von Leitungspersonen „beharrlich erhebliche Verbandsstraftaten“ begangen wurden und auch in Zukunft die Gefahr von Wiederholungen droht.
Verurteilungen soll das Gericht ferner bei einer großen Anzahl geschädigter Personen öffentlich bekanntmachen dürfen, um so möglichen Betroffenen zu ermöglichen, etwaige Ansprüche zu prüfen. Dieses sog. „Naming and Shaming“ hat aber natürlich eine besondere Prangerwirkung und stellt oftmals eine zusätzliche Strafe für die Unternehmen dar.
2. Ausdrückliche Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen bei Bußgeldberechnung
Ein geeignetes Compliance-Management-System soll außerdem für die Bemessung der Art und Höhe der Sanktionen besondere Berücksichtigung finden.
3. Anreiz für Investitionen in Internal Investigation: Sanktionsmilderungen
Wird in einem Unternehmen vermutet, dass es zu Straftaten gekommen sein könnte, so werden v. a. bei größeren Unternehmen interne Ermittlungen und Untersuchungen angestellt, oft auch durch den Einsatz von hierauf spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien, um den Sachverhalt möglichst schnell und diskret aufzuklären.
Für derartige interne Untersuchungen soll nun ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, indem diesen, unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen, eine strafmildernde Wirkung zukommen soll.
Um eine strafmildernde Wirkung erzielen zu können, muss jedoch ein wesentlicher Aufklärungsbeitrag geleistet werden, der mit der Untersuchung Beauftragte darf nicht gleichzeitig Verteidiger des Verbandes sein, es muss permanent und umfassend mit den Behörden zusammengearbeitet werden und alle Ergebnisse und Dokumente müssen vor allem transparent den Verfolgungsbehörden im Rahmen der Ermittlungen zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen von Interviews muss den Mitarbeitern zudem deutlich mitgeteilt werden, dass es sich nicht um ein vertrauliches Gespräch handelt und die Erkenntnisse möglicherweise in einem Strafverfahren auch gegen sie verwendet werden können. Aus diesem Grund muss den Mitarbeitern auch die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Anwalt zu konsultieren oder ihre Aussage gänzlich zu verweigern (§§ 55 I, 52 I StPO).
4. Regelungen zum Beschlagnahmeschutz
Spätestens nach der sog. Jones-Day-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 2018 [3], woraus schließlich hervorging, dass die Staatsanwaltschaften in einer Rechtsanwaltskanzlei Unterlagen mit internen Ermittlungsergebnissen beschlagnahmen durften, stellte sich die Frage, wie dort erstellte Unterlagen vor dem Zugriff der Ermittlungsbehörden geschützt werden können.
Einerseits gibt es internes Untersuchungsmaterial, andererseits aber auch Auswertungen der intern untersuchenden eigenen Rechtsanwälte und möglicherweise Unterlagen zu separaten Strafverfahren gegen einzelne Unternehmensmitarbeiter.
Laut dem Entwurf sollen künftig alle Unterlagen, die sich im Gewahrsam der Rechtsanwälte (Verteidiger) befinden, grds. beschlagnahmt werden dürfen, außer der Mandant ist bereits „Beschuldigter“ in einem Strafverfahren und es kann daher von einem „Vertrauensverhältnis“ ausgegangen werden (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 n.F. StPO). Sog. Rohdaten (originäre Geschäftsunterlagen) des Unternehmens sollen ausdrücklich keinem Beschlagnahmeschutz unterliegen (§ 97 Abs. 2 n.F. StPO).
Erkenntnisse, die vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens und damit auch vor einer Beschuldigtenstellung des Unternehmens aus den internen Untersuchungen hervorgegangen sind, können damit wohl bei der ermittelnden Kanzlei beschlagnahmt werden. In dem Entwurf ist dabei lediglich die Rede von einem „Beschuldigten“, weshalb im Umkehrschluss davon ausgegangen werden kann, dass Interviewprotokolle, Präsentationen und Berichte aus internen Ermittlungen vor Beschuldigtenstellung des Unternehmens beschlagnahmt werden können.
IV. Ausblick und Herausforderungen – Kooperationszwang vs. Aushöhlung der Verteidigerrechte
Durch den Entwurf wird deutlich, wie wichtig die Implementierung eines geeigneten Compliance-Management-Systems (CMS) ist, da ohne ein solches eine erhebliche Verschärfung des Sanktionsrahmens vorgesehen ist. Hierbei geht es nicht nur darum, das Risiko von Straftaten möglichst gering zu halten, sondern auch um mehr Transparenz für die Verfolgungsbehörden und um einen Anreiz, sowohl durch gute Compliance-Management-Systeme als auch durch eigene Ermittlungen die sanktionsmindernde Wirkung zu begünstigen. Gerade bei großen und risikobehafteten Unternehmen sollte daher besonders präzise darauf geachtet werden, eine umfassende Dokumentation über das eigene CMS als Nachweis für die Behörden zur Verfügung stellen zu können.
Außer Acht bleibt dabei, dass genau diese Anreize, aufgrund des existenzbedrohenden Sanktionsrahmens, dazu führen, faktisch gar keine andere Wahl zu haben, als zu kooperieren, um immense Folgen für das Unternehmen und die Geschäftsführung zumindest verringern zu können.
Neben Klarheiten - wie nachvollziehbare Vorgaben für interne Untersuchungen -, die der Entwurf zu schaffen vermag, ergibt sich somit Korrekturbedarf, da das Gesetz insgesamt zu einer Verschlechterung der Rechtslage für Unternehmen, unter Aushöhlung der Verteidigerrechte und Schwächung der Effektivität der Verteidigung, führen wird:
Trennung interne Untersuchungen und Unternehmensverteidigung
Aus dem Referentenentwurf ergibt sich nämlich beispielsweise, dass eine Trennung von interner Untersuchung und Unternehmensverteidigung gewünscht werde, da dies zu einer höheren Glaubwürdigkeit führen würde. Solange dabei eine organisatorische Trennung zwischen beiden Beratungen stattfinde, solle dies aber auch von ein und derselben Kanzlei durchgeführt werden können.
Unberücksichtigt bleibt dabei, dass dies langfristig zu einer unerwünschten Privatisierung des Ermittlungsverfahrens führen wird, die zudem mit immensen Kosten für das Unternehmen verbunden ist, wenn das Unternehmen für seine „Glaubwürdigkeit“ im Zweifel besser zwei Kanzleien konsultieren muss.
Umsatz des gesamten Konzerns als Anknüpfungsgröße
Weiter sieht der Entwurf vor, den Umsatz des gesamten Konzerns als Anknüpfungsgröße bei der Bemessung der Geldsanktion zu nehmen, obwohl dieser grds. überhaupt nichts über den tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens verrät. Es stellt sich daher die Frage, was das zu sanktionierende Unternehmen letzten Endes mit seinen Schwesterngesellschaften oder der Konzernmutter zu tun hat, was eine derartige Anknüpfung an den gesamten Konzernumsatz rechtfertigen könnte.
Aushöhlung Beschlagnahmeschutzvorschriften
Durch die weitreichenden Beschlagnahmemöglichkeiten der Ermittlungsbehörden - sogar auf interne Ermittlungsergebnisse - und die damit einhergehende Aushöhlung der Beschlagnahmeschutzvorschriften wird der Schutz des Anwaltsgeheimnisses umgangen und gleichzeitig darauf gepocht, dass das Unternehmen an seiner eigenen Verfolgung mitwirkt.
Einerseits werden interne Untersuchungen fast schon vorausgesetzt und sollen sich strafmildernd auswirken, andererseits besteht die Gefahr, dass bei einer internen Untersuchung vor Beschuldigtenstellung und damit im Vorfeld eines Ermittlungsverfahrens etwaige Unterlagen beschlagnahmt werden könnten. Alle Unterlagen, die der Beschuldigte vor der Erlangung seiner Stellung als Beschuldigter seinem Verteidiger also offenbart, könnten damit beschlagnahmt werden. Unabhängig davon, dass es im absoluten Ermessen der Behörden liegt, wann diese den Beschuldigten nun als Beschuldigten einordnen möchten, kann eine Verteidigung ohnehin auch dann stattfinden, wenn gegen den Betroffenen noch nicht förmlich ermittelt wird [4].
Die Erwägungen aus dem Entwurf würden somit paradoxerweise dazu führen, dass sich Unternehmen vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gerade nicht einer derartigen Gefahr aussetzen möchten und keine eigenen internen Ermittlungen anstreben werden.
Solange Anwälte nicht als Verteidiger für das Unternehmen tätig sind, bestehen damit immense Risiken hinsichtlich einer möglichen Beschlagnahme von Unterlagen, weshalb nur gehofft werden kann, dass ein etwaiger Beschlagnahmeschutz von Unterlagen aus internen Ermittlungen, unabhängig von einer Beschuldigtenstellung des Unternehmens, in Zukunft angenommen werden darf.
Vorgesehene Möglichkeit der Auskunftsverweigerung
Auch das durch den Entwurf betonte Auskunftsverweigerungsrecht der Mitarbeiter nach § 55 Abs. 1 StPO dürfte Investigations besonders erschweren, da es für den Arbeitgeber nicht nachprüfbar ist, ob der Arbeitnehmer tatsächlich seine Aussage verweigern darf.
Gerade diese Befragungen sind aber sehr wesentlich für die zügige Sachverhaltsaufklärung im Innenverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und ergeben sich bisher auch aus den gegenseitigen, arbeitsrechtlichen Treuepflichten. Derzeit steht es dem Arbeitnehmer nämlich nicht zu, unter Berufung auf § 55 Abs. 1 StPO, seine Aussage bei internen Befragungen zu verweigern, da bei derartigen privaten Auskunftspflichten gegenüber dem Arbeitgeber der nemo-tenetur-Grundsatz keine Anwendung findet.
Auch an dieser Stelle entspricht der Entwurf daher nicht der arbeitsrechtlichen Praxis und würde nur zu erschwerten Befragungen und geringeren Ergebnissen führen, weshalb professionelle Interviews von noch größerer Bedeutung sein werden.
Dies ändert nichts daran, dass im Außenverhältnis die Möglichkeit eines Auskunftsverweigerungsrechts gegenüber den Ermittlungsbehörden von enormer Wichtigkeit ist. Im Innenverhältnis sollte der Arbeitnehmer jedoch Angaben gegenüber dem Arbeitgeber weiterhin machen dürfen, ohne Angst vor einer Beschlagnahme der Unterlagen und Verwertung seiner Aussagen haben zu müssen.
Fazit
Sollen Unternehmen nun als Beschuldigte in einem Strafverfahren in Frage kommen können, so muss gleichzeitig dringend gewährleistet werden, dass ihnen auch vergleichbare Rechte eingeräumt werden, die bisher aus dem Entwurf jedoch nicht ausreichend hervorgehen.
Aus dem fair-trial-Grundsatz ergibt sich nämlich u. a. auch der Grundsatz der sog. Waffengleichheit, wonach alle Parteien in einem Verfahren gleich behandelt werden müssen. Ebenso ergibt sich daraus das Recht des Unternehmens auf Vorbereitung der Verteidigung, wozu auch eine ungestörte Kommunikation mit dem Verteidiger zählt, was wiederum ohne ausreichende Beschlagnahmeschutzmöglichkeiten nicht gewährleistet werden kann.
Ohne die Gewährleistung eines solchen fairen Verfahrens wird dem Unternehmen hinzukommend die grundlegende Entscheidungsfreiheit genommen, zu kooperieren oder gerade andere Verteidigungslinien zu wählen und sich hierdurch gegen eine mögliche Instrumentalisierung durch die Behörden zu wehren.
Ebenso müsste § 18 Abs. 1 VerSanG, welches eine Milderung der Sanktion für den Fall normiert, dass der Verband oder von ihm beauftragte Dritte wesentlich dazu beitragen, dass die Verbandsstraftat aufgeklärt werden kann, dahingehend erweitert werden, auch ein ernsthaftes Bemühen des Verbandes ausreichen zu lassen. Schließlich kann der Verband oder der von ihm beauftragte Dritte zwar alles dafür tun, an der Aufklärung mitzuwirken, inwieweit sich dann aber beispielsweise die Mitarbeiter im Rahmen der internen Ermittlungen auf ihre Rechte nach z.B. § 55 StPO berufen (§ 18 Abs. 1 Ziffer 5 c) VErSanG), darf nicht negativ für den Verband ausgelegt werden, wenn dieser ansonsten alle in § 18 VerSanG genannten Voraussetzungen erfüllen konnte.
Es besteht daher unserer Ansicht nach ein dringender Korrekturbedarf unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze.
Bei Fragen zum Verbandssanktionengesetz, Unternehmensstrafrecht oder darüber hinaus wenden Sie sich gern an unsere Experten in u. a. den Bereichen Compliance und Wirtschaftsstrafrecht.
Fußnoten:
[3] Az. 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17.
[4] Vgl. LG München I, Beschluss vom 11.12.2018 – 6 Qs 16/18, NStZ 2019, 172 ff.