Bei den Unternehmenstransaktionen (Kauf und Verkauf) haben sich in den letzten Monaten Möglichkeiten der steuerlich günstigen Gestaltung erschlossen, die nach unserer Einschätzung recht bald vom Gesetzgeber wieder geschlossen werden könnten. Zudem sind steuerliche Verschärfungen abzusehen, die Gestaltungen behindern werden.
Earn-Out-Zahlungen bei Unternehmenskäufen nach neuer Entscheidung des Bundesfinanzhofes grundsätzlich erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern
Donnerstag, 25. Januar 2024
Der Bundesfinanzhof hat in seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 9. November 2023, IV R 9/21, eine Grundsatzentscheidung zur Versteuerung von Earn-Out-Zahlungen bei Unternehmenskäufen getroffen. Danach sind Zuflüsse aus Earn-Outs vom Veräußerer grundsätzlich nicht schon im Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile zu versteuern, sondern erst bei Zufluss einer späteren Earn-Out-Zahlung. Dies gilt sowohl für umsatz- als auch für gewinnabhängige Earn-Out-Zuflüsse.
Der Senat führt zunächst aus, dass der Veräußerungspreis im Sinne des Einkommensteuergesetzes den gesamten vom Veräußerer tatsächlich erzielten Erlös umfasst. Dazu gehören sämtliche Gegenleistungen, die der Veräußerer im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung vom Erwerber oder einem Dritten für die Übertragung der Anteile oder Wirtschaftsgüter eines Unternehmens erhält.
Der Veräußerungsgewinn entsteht steuerlich grundsätzlich bereits im Veräußerungszeitpunkt, das heißt mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen oder - beim Asset Deal - bei der Übertragung der veräußerten Aktiva und Passiva des Unternehmens. Dies ist steuerlich unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig oder in Kaufpreisraten zahlbar ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Der Veräußerungsgewinn ist damit nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln. Später eintretende Veränderungen des ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreises sind daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile oder Wirtschaftsgüter zurückzubeziehen, wenn der Rechtsgrund für die später geleistete Zahlung im ursprünglichen Kaufvertrag angelegt ist und soweit der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat.
Eine Ausnahme gilt jedoch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen: Danach ist in diesen Fällen auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt. Eine stichtagsbezogene Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt wird nicht angestellt. Dies liegt darin begründet, dass es sich bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen um aufschiebend bedingte Kaufpreisansprüche handelt, bei denen im Zeitpunkt der Veräußerung weder feststeht, ob rechtlich in einem der Folgejahre eine Kaufpreisforderung entsteht, noch, wie hoch diese sein wird. Außerdem stünde eine rückwirkende stichtagsbezogene Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen nach Auffassung des Senats im Widerstreit zum Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes gibt es keine Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen im Allgemeinen und sogenannten Earn-Out-Zahlungen im Besonderen. Denn auch bei Earn-Out-Zahlungen handelt es sich nach zutreffender Auffassung des Senats um aufschiebend bedingte Kaufpreiselemente, deren Entstehen im Veräußerungszeitpunkt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist. Diese Unsicherheit rechtfertigt es, auch Earn-Out-Zahlungen aufgrund der Grundsätze der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des Realisationsprinzips von der rückwirkenden Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf den Veräußerungszeitpunkt auszunehmen. Denn die Entstehung derartiger Kaufpreisbestandteile ist im Veräußerungszeitpunkt gerade noch nicht "so gut wie sicher“. Sämtliche dem Grunde und der Höhe nach unsicheren Earn-Out-Zahlungen sind daher grundsätzlich erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu besteuern.