Es ist noch immer rechtlich nicht vollständig geklärt, ob die Nutzung urheberrechtlich geschützten Contents zum Zwecke des KI-Trainings von der Schrankenregelung für das sogenannte Text and Data Mining (TDM-Schranke) erfasst ist. Das Landgericht Hamburg hat in seinem Urteil vom 27.09.2024 (AZ 310 O 227/23) festgestellt, dass jedenfalls das Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Bildern zur Erstellung von Datensätzen, die für KI-Training verwendet werden können, eine nach der Schrankenregelung des § 60d Abs. 1 UrhG zulässige Vervielfältigung darstellen kann.
KI und Urheberrecht
Friday, 21. April 2023
„Berliner Fotograf lehnt Preis für KI-Bild ab“ - so oder so ähnlich lauten dieser Tage zahlreiche Überschriften in den Feuilletons der Tageszeitungen. Ein Berliner Fotograf hatte im Rahmen eines renommierten Fotografiepreises ein Bild eingereicht, das von der Jury ausgezeichnet wurde. Überraschenderweise lehnte der Fotograf den ihm zuerkannten Preis mit der Begründung ab, er habe das Bild unter Einsatz „Künstlicher Intelligenz“ hergestellt. Er habe das Werk eingereicht, um damit eine Debatte um die Rolle der Künstlichen Intelligenz in der Fotografie anzustoßen.
Diese Debatte ist indes längst entbrannt. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob ein mithilfe von Künstlicher Intelligenz geschaffenes Werk als Kunst anzusehen ist und wem ggf. die Urheberrechte daran zustehen. Die nahezu perfekte Illusion, welche KI-generierte Bilder von Situationen schaffen, die es real nie gegeben hat, löst Ängste und Besorgnisse aus - bis hin zu eher skurrilen Vorschlägen aus dem politischen Raum, „echte“ Fotografien mit einer Art „Wasserzeichen“ zu versehen, um auf diese Weise die fotografische Spreu vom Weizen zu trennen.
"I was there" - the camera does not lie, the approaching storm, the Death Strip in Berlin, it was real. Jesus on the Cross, who knows? It was so long ago. True or False?
Helmut Newton, Monte-Carlo 1991
Dass die scheinbar neutrale Fotografie keineswegs die Realität so unbestechlich wahrhaftig abbildet, wie man das gerne glauben möchte, ist indes keine neue Erkenntnis. Auch mit den klassischen Mitteln der analogen Fotografie war es bereits möglich, „alternative Fakten“ zu schaffen. Dies beginnt bei der Auswahl des „richtigen“ Fotos aus einer Serie, bei der natürlich genau das eine Bild ausgewählt wird, welches die gewollte Botschaft am besten illustriert, während die anderen unter den Tisch fallen. Die heroische Erscheinung des ikonischen Guerrillero, die souveräne Überlegenheit des einen Staatenlenkers gegenüber der tölpeligen Erscheinung des anderen, das alles verflüchtigt sich schnell, wenn man die ganze Serie betrachtet und auf einmal ein Bild in Händen hält, das eine ganz andere Wahrheit erzählt. Bei vermeintlichen Makeln half man mit Filtern und Retuschieren nach.
Die Digitaltechnik freilich macht es heute noch viel leichter. Digitalkameras werden mit einem „digitalen Radiergummi“ beworben, der störende Hintergrundmotive wie von Zauberhand verschwinden lässt, und dank „Photoshop“ besteht bei praktisch jedem auf Instagram & Co geposteten Bild der Verdacht, dass der Realität ein wenig nachgeholfen wurde.
Auch Fragen der Urheberschaft waren bereits Gegenstand juristischer Befassung. Man denke nur an das berühmte „Affenselfie“, welches den Streit darüber auslöste, ob der Fotograf, der die Aufnahmesituation geschaffen hatte, oder Naruto, der Schopfmakake, welcher letztlich den Auslöser betätigte, Urheber der so hergestellten Aufnahme war. Ein Affe ist kein Mensch, so entschieden die Richter am Bundesberufungsgericht in San Francisco scharfsinnig, und kann wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen nicht klagen.
Welcher Erkenntnisgewinn lässt sich hieraus für die Künstliche Intelligenz ziehen? Ein Computerprogramm ist nach deutschem Recht weder rechts- noch prozessfähig, und so dürften es, zumindest heute, auch alle anderen Rechtsordnungen weltweit sehen. Abseits dieser formalen Argumentation ist zudem zu konstatieren, dass jedenfalls beim heutigen Stand von Wissenschaft und Technik Künstliche Intelligenz zwar künstlich ist, aber nicht intelligent: Das Wort Intelligenz leitet sich vom lateinischen "intellegere" ab, was so viel bedeutet wie einsehen, verstehen oder begreifen. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffes Intelligenz gibt es zwar nicht, aber meist wird darunter die Fähigkeit verstanden, sich in neuen Situationen zurechtzufinden und Aufgaben durch Denken zu lösen. Künstliche Intelligenz löst Aufgaben, indem sie auf Grundlage eingespeister Daten Wahrscheinlichkeiten berechnet. Das Ergebnis ist häufig verblüffend, und mitunter - man denke an moderne Schachcomputer - ist die Maschine dem Menschen überlegen. Aber eines ist sie nicht: intelligent. Intelligenz ist eben mehr als das stumpfe Durchrechnen aller in Betracht kommenden Möglichkeiten. Und so wenig man von einer KI absehbar erwarten darf, unsere Welt mit einer neuen Relativitätstheorie oder Heisenbergschen Unschärferelation zu bereichern, so wenig wird KI einen kreativen Prozess zu der Schöpfungshöhe bringen, die erforderlich ist, um ein Kunstwerk zu schaffen. Künstler und Urheber ist derjenige, welcher die KI einsetzt und benutzt - es sei denn, man wollte auch den Konstrukteur des Fotokopierers als Schöpfer der Fotokopie ansehen.